Grauzonen - Rechte jugendliche Lebenswelten

Homosexuellenfeindlichkeit / Heterosexismus: 
»Deine schwulen Texte, sie sind zweitklassig.«

Wir verzichten auf den geläufigen Begriff Homophobie, denn eine Phobie benennt eine krankhafte Angststörung. Die Abneigung gegen Homosexuelle ist jedoch eine bewusste und erlernte Aversion. Das folgende bekannte Zitat wird dem Schauspieler Morgan Freeman zugeschrieben:

»I hate the word homophobia. It’s not a phobia. You’re not scared. You’re an asshole.« 1

Wie bereits in vorausgegangenen Bezugspunkten, insbesondere unter »Männerwelten«, mit Beispielen verdeutlicht ist heterosexuelle Männlichkeit ein zentrales und konstitutives Element rechter Lebenswelten. Homosexuellenfeindlichkeit zeigt sich dort in einer Beschimpfungskultur, die darin fußt, homosexuelle Männer abzuwerten und nicht-heterosexuelle Männlichkeit auszuschließen, sowie dass sich männliche Szeneangehörige hypermaskulin und betont heterosexuell inszenieren.

Fußballstadien als Arenen heterosexueller Männlichkeit

Die sprachliche Entmännlichung der Konkurrenten über Beschimpfungen als »Fotzen« oder »Schwule« dient der Verteidigung eigener Männlichkeitsideale. Der abgebildete Doppelhalter Cottbusser Fans macht die Fanfreundschaft von Hertha BSC und dem Karlsruher SC als »Schwulenliebe« verächtlich. Die männlichen Figuren werden über ausgebeulte Unterhosen und miteinander verknotete Zungen hypersexualisiert. Jan Tölva schreibt dazu:

»Es bleibt offensichtlich, dass es bei diesen Beleidigungen keinesfalls um eine tatsächliche oder angenommene Homosexualität geht. […] Es geht vielmehr um eine Instrumentalisierung der gesellschaftlich vorhandenen Homophobie zur Abwertung des Gegenübers.« 2

Ein Banner von Fans des FC Hansa Rostock, das auf den Gästeblock gerichtet ist, zeigt das durchgestrichene Kampagnen-Bild der »Fußballfans gegen Homophobie« (auf dem sich zwei englische Fußballprofis beim Torjubel küssen) mit der Aufschrift »Gegen die modernen Ultras«. Die Enttabuisierung von Homosexualität im Männerfußball und die Positionierung gegen den heterosexistischen Normalzustand wird hier als modern, fußballfremd und implizit als zu politisch abgelehnt.

HethaKarlsruhe

Cottbusser Fans schmähen die Fanfreundschaft zwischen dem Karlsruher SC und Hertha BSC Berlin als »Schwulenliebe«. Foto: http://ultra1894.de

 

rostock

unten: Das Motiv »Gegen die modernen Ultras« zeigt das durchgestrichene Kampagnen-Bild der  Fußballfans gegen Homophobie«. Es wird von Fans des FC Hansa Rostock auf einem Banner gezeigt und als Aufkleber verbreitet.

Sexistische und homosexuellenfeindliche Beschimpfungen treffen vor allem Fans, die sich gegen diese Diskrimierungen engagieren, zum Beispiel Teile der Fanszene des SV Werder Bremen, die zeitweise eine Regenbogenfahne im Block präsentierten. So lassen es sich die Ultras Leverkusen seit
Jahren nicht nehmen, darauf mit Spruchbändern zu reagieren: »Vereinsfarben uninteressant – Hauptsache, die Homofahne in der Hand« oder »Emanzen auf den Zaun geschickt. Männern in den Arsch gefickt. Mentalita Ultra Bremen« und »HeterosexUL« (UL steht für Ultras Leverkusen).

Homosexualität als Bedrohung

Die behauptete Nicht-Vereinbarkeit von Fußballsport und männlicher Homosexualität zieht sich durch Äußerungen von Spielern, Trainern und Fans. Das Coming Out des ehemaligen deutschen Fußballnationalspielers Thomas Hitzelsberger im Jahr 2014 kommentierte der ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann:

»Ich weiß nicht, was ich gedacht hätte, wenn ich mit jemand zusammen gespielt hätte, den ich tagtäglich gesehen hätte: beim Duschen, in Zweikämpfen. Niemand kann seine Gedanken kontrollieren.« 3

Nur dort, wo sich der männliche Spieler oder Fan unter heterosexuellen Männern wähnt, fühlt er sich sicher. Die Hypersexualisierung von Schwulen führt dazu, dass sich die vorgeblich asexuelle körperliche Nähe zwischen Fans wie Spielern alleine durch die Anwesenheit von Schwulen sexuell auflädt. Mit der Vorstellung eines Homosexuellen in der Gruppe bzw. in unmittelbarer körperlicher Nähe können der heterosexuelle Männerbund und die Kameradschaft nicht mehr störungsfrei funktionieren.

Homosexuellenfeindlichkeit in der Musik

Ein weiteres Beispiel für Homo­sexuellenfeindlichkeit in der Oi-Musik bietet der Song »Gayskin« der sich »unpolitisch« verstehenden Berliner Band Bierpatrioten. Er beginnt mit der Strophe:

»Kleinen Jungs am Arsch rumspielen, beim Oi-Konzert auf Kerle schielen, im Schwimmbad heimlich onanieren, nach dem Bademeister gieren. Hahaha!«,

und hat als Refrain eine Gewaltdrohung gegen schwule Skinheads:

»Tuntenskins, ja das ist toll, die kriegen jetzt die Hucke voll.«

Der Liedtext endet mit der Beschimpfung »schwules Schwein«. Die weiteren Strophen sind detaillierte Beschreibungen harter homosexueller Sexualpraktiken und verdeutlichen, wie sich der heteronormative Bierpatriot primär Homosexualität vorstellt. Der Liedtext greift mehrere Motive der Schwulenfeindlichkeit auf:

  • die Hypersexualisierung von Schwulen,
  • die Reduzierung von Homo­sexuellen auf ihre Sexualität bzw. auf vorgestellte und ihnen zugeschriebene homosexuelle Praktiken,
  • die Behauptung eines Zusammenhanges von Homosexualität und Pädophilie bzw. Päderastie, die Schwule kriminalisiert und dämonisiert.

Homosexuellenfeindlichkeit äußert sich auch subtiler. 2012 veröffentlichten der Soul-Sänger Xavier Naidoo und der Rapper Kool Savas als gemeinsames Projekt Xavas das Album »Gespaltene Persönlichkeit«, das viele Wochen auf Platz eins der deutschen Musikcharts notiert war. Es enthielt als Hidden Track das Lied »Wo sind sie jetzt?« Darin klagen Savas und Naidoo die okkulten Rituale einer geheimen Loge an, die Kinder missbrauchen und töten würde. Zudem äußern sie Gewaltfantasien gegen die Täter:

»Ich schneid euch jetzt mal die Arme und die Beine ab und dann fick ich euch in den Arsch, so wie ihr’s mit den Klein’ macht. Ich bin nur traurig und nicht wütend, trotzdem will ich euch töten. Ihr tötet Kinder und Föten, und dir zerquetsch ich die Klöten.«

Täter wie Opfer werden in dem Lied durchgängig als männlich beschrieben. Gegen Kritik wehrten sich Naidoo und Savas in einer gemeinsamen Stellungnahme und erklärten, »dass es nie die Absicht unseres Liedes war, Homosexualität und Pädophilie gleichzusetzen oder zur Gewalt gegen Menschen aufzu­rufen.« Doch genau das taten sie in dem Lied unmissverständlich.

1 übersetzt: »Ich hasse das Wort Homo­phobie. Es ist keine Phobie. Du hast keine Angst. Du bist ein Arschloch.«
2 Jan Tölva, Zurück am Tatort Stadion, S.73
3 zitiert nach: Tölva, S. 67

Tipps zum Weiterlesen:

Was ist Mehrfachdiskriminierung? Ein ausführlicher Text von LesMigraS - Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin e.V.

Pinkstinks.de ist eine junge Protestorganisation, die gegen Produkte, Werbe- und Medieninhalte agiert, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen.

Living Dolls Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen , Natasha Walter, Fischer Verlag, ISBN: 978-3-596-18996-0

 

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